Gewerkschaften

"Der Weltfriede kann auf die Dauer nur auf sozialer Gerechtigkeit aufgebaut werden." Das schrieb die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) bei ihrer Gründung 1919 als ersten Satz in die Präambel ihrer Verfassung. Aber die internationale Arbeitswelt ist noch immer von großen sozialen Ungerechtigkeiten geprägt, auch die Bananen- und Ananasproduktion. In vielen Ländern und Unternehmen wird das Recht der Beschäftigten auf Vereinigungsfreiheit missachtet. Es ist die Grundlage für die Organisation von Gewerkschaften.

Demonstration organisiert von der Gewerkschaft SITRAP

Warum soll es Gewerkschaften geben?

Gewerkschaften sind die Selbstorganisation der Beschäftigten, um mit dem Unternehmen Arbeitszeiten, Entlohnung, Arbeitsbedingungen, Gesundheits- und Unfallschutz sowie zusätzliche Sozialleistungen auszuhandeln. In der Erklärung der ILO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und ihre Folgemaßnahmen aus dem Jahr 1998 werden vier Kern-Standards hervorgehoben, die so wichtig sind, das alle 187 ILO-Mitgliedsstaaten sie durchsetzen müssen, selbst wenn sie dafür einschlägige ILO-Konventionen nicht ratifiziert hätten:

  1. Vereinigungsfreiheit und die effektive Anerkennung des Rechts zu Kollektivverhandlungen
  2. Beseitigung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit
  3. effektive Abschaffung der Kinderarbeit
  4. Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf

Die vorrangige Nennung des Rechts auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverträge ist kein Zufall. Denn wie keine andere Instanz können die Gewerkschaften täglich die Einhaltung von Arbeitsnormen und Arbeitsgesetze durch die Unternehmen kontrollieren und kennen die finanziellen Bedürfnisse der Beschäftigten. Die Verteidigung ihrer Mitglieder gegen ungerechte Maßnahmen des Unternehmens vor dem Arbeitsministerium oder bei Arbeitsgerichten macht einen großen Teil ihrer Arbeit aus. Vorrangig ist die Schulung ihrer Mitglieder in Arbeits- und Gewerkschaftsrecht. Für einige Gewerkschaften ist in ihrem Land die hohe Zahl von Arbeitsimmigranten eine besondere Aufgabe. Sie unterstützen sie bei der Besorgung von legalen Ausweis- und Arbeitsdokumenten und stellen Verbindungen zu Gewerkschaften in den Herkunftsländern her.

Arbeitsrechte gegen Sozial-Dumping durchsetzen

Auf dem internationalen Absatzmarkt für Bananen und Ananas sind Marktanteile hart umkämpft. Der resultierende Preisdruck wird bis zu den Arbeiter*innen durchgeboxt. Selbst wenn der nominelle Mindestlohn gezahlt wird, müssen die Beschäftigten dafür oft länger als die normale Arbeitszeit arbeiten. Oder mehrere Tätigkeiten werden zusammengefasst und nur als eine Arbeit bezahlt. Frauen bekommen weniger und schlechter bezahlte Arbeitsmöglichkeiten. Selbst auf Farmen mit Tarifverträgen kommt es oft zur Verschleppung von Neuverhandlungen ausgelaufener Verträge, verschlechterten Arbeitgeberangeboten, mehr Leiharbeit und versuchter Erhöhung der Arbeitslast ohne Lohnausgleich.

Gewerkschaften stellen sich diesem Sozial-Dumping entgegen und können auch international Alarm schlagen. Zwar versuchen besonders die großen Fruchtunternehmen, sich durch freiwillige Leistungen das Image eines sozial verantwortlichen Betriebs zu geben, aber sie wollen diese Leistungen nach eigenem Ermessen geben oder nehmen und dafür keine gesetzliche Verpflichtungen übernehmen, wie es bei Tarifleistungen der Fall wäre. Oft bleiben schließlich nur Klagen vor dem Arbeitsgericht, die auf dem Weg durch die Instanzen viele Jahre dauern können. Dennoch schaffen es Gewerkschaften, Rechtsverfahren für ihre Mitglieder zum Erfolg zu führen.

Das Recht auf freie Gewerkschaftsarbeit und Tarifverträge steht in den Arbeitsgesetzbüchern vieler Länder, die tropische Früchte exportieren. In manchen dieser Länder können Gewerkschaften ihre Aufgaben aber nicht wahrnehmen, weil sie behindert, verfolgt und unter Vorwänden krimineller Delikte beschuldigt werden. Manchmal betreiben sogar die Filialen multinationaler Unternehmen in verschiedenen Ländern eine unterschiedliche Politik gegenüber den Gewerkschaften.

Unfaire Konkurrenz-Organisationen

Um authentische Gewerkschaften auszuschalten, begünstigen einige Unternehmen aktiv Organisationen, die unter ihrem Einfluss stehen oder keine gesetzliche Verhandlungsbefugnis für Tarifverträge besitzen. In Costa Rica fördern Bananenunternehmen den Solidarismus, um die Gewerkschaften zu verdrängen und Tarifverträge durch sogenannte Direktabkommen zu ersetzen. Diese haben nicht die Wirkung und die Rechtskraft wie Tarifverträge. Gewerkschafter*innen, die auf die Verschlechterung der sozialen Situation der Landarbeiter hinweisen und Tarifverträge fordern, werden oft als Feinde der sozialen Harmonie in den Betrieben verunglimpft und gekündigt. Es entsteht ein aggressives Klima, in dem es zur Gewalt und Morddrohungen gegen Gewerkschaftsmitglieder kommt.

Als schlechte Beispiele dienen auch Chiquita und Fyffes in Honduras sowie die Unternehmensgruppe Acón in Costa Rica. Sie haben angesichts der Forderung nach Tarifverhandlungen von authentischen Gewerkschaften gegen deren angeblich ungesetzliche Entstehung geklagt, um derweil ihnen genehme Komitees zu gründen und mit diesen zu verhandeln. Die entsprechenden Klagen und Gegenklagen tragen zur chronischen Überlastung der personell unterbesetzten staatlichen Arbeitsinspektion bei, die die Rechte der Beschäftigten schützen müsste. Nur gut organisierte und ausgebildete Gewerkschafter*innen können unter diesen Bedingungen Abläufen die Interessen der Beschäftigten verteidigen.

Warum ist internationale Solidarität notwendig?

Die internationale Solidarität mit den Gewerkschaften in den Produktionsländern stärkt deren Position gegenüber den Plantagenbetrieben, die Filialen oder Lieferanten von multinationalen Fruchtunternehmen oder Supermarktketten in den Konsumentenländern sind. Die meisten dieser Unternehmen haben hauseigene Ethik-Richtlinien oder freiwillige Zertifizierungen für die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung ihrer Produkte. Solidarische Beziehungen mit den Gewerkschaften ermöglichen es, die Glaubwürdigkeit dieser Normen zu überprüfen und die Forderungen nach notwendigen Korrekturen zu unterstützen. Das ist ein eigenes Anliegen der bewussten Konsumenten, die nicht belogen und betrogen werden wollen.

Seit der Gründung beider Netzwerke vor rund 25 Jahren gibt es solidarische Beziehungen zwischen COLSIBA und EUROBAN. Zwischen einzelnen Organisationen beider Seiten bestehen noch längere Beziehungen.

Solidarität wird geleistet durch:

  • Eilaktionen bei Arbeitskonflikten zur Unterstützung der gewerkschaftlichen Forderungen an Unternehmen und Regierungen durch E-Mail, Briefe und Postkarten.
  • Internationale Kampagnen zur Durchsetzung von Arbeitsrechten, z.B. die Chiquita-Kampagne für das lateinamerikanische Rahmenabkommen von 2001 und den Rahmenvertrag der Gewerkschaften in Costa Rica mit Dole im Jahr 2007.
  • Die Organisierung von Reisen der Gewerkschaftsvertreter in die Konsumentenländer, mit öffentlichen Diskussionsveranstaltungen, Teilnahme an Konferenzen, Treffen mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft.
  • Recherchereisen von Medien-Vertretern zur Situation der Plantagenarbeiter*innen in den Produktionsländern.
  • Kooperation zur institutionellen Stärkung der Gewerkschaftsorganisationen.
  • Kooperation mit Fortbildungsprojekten für Gewerkschaftsmitglieder, darunter spezifische Projekte für Arbeiterinnen.
  • Unterstützung bei Massenentlassung von Gewerkschaftern, Unfällen oder Naturkatastrophen.

Gewerkschaften sind international aktiv

1993 gründeten Gewerkschaften aus bananenproduzierenden Ländern Zentral- und Südamerikas die Lateinamerika-Koordinierung der Gewerkschaften der Bananenarbeiter*innen COLSIBA. Zu ihr gehören heute Gewerkschaftsorganisationen aus neun Ländern. Sie hat sich für Organisationen aus anderen Landwirtschaftsbereichen geöffnet, darunter der Ananas- und Zuckerrohranbau. Durch COLSIBA traten die Gewerkschaften erstmals in ihrer Geschichte miteinander in Kontakt und erfuhren, wie es bei den Kolleg*innen in Nachbarländern steht.

 

COLSIBA ist die Partnerorganisation des Europäischen Aktions-Netzwerks für Bananen und Ananas (EUROBAN) und wie dieses Gründungsmitglied des Weltbananen-Forums unter der Schirmherrschaft der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Einige Organisationen der COLSIBA gehören zur Internationalen Organisation der Nahrungsmittelarbeiter*innen (IUF) mit Sitz in Genf, mit der auch COLSIBA zusammenarbeitet. Ein im Jahr 2001 unter Beteiligung der ILO mit Chiquita International geschlossenes Rahmenabkommen zur Beachtung der Arbeits- und Gewerkschaftsrechte galt als vorbildlich für die ganze Branche. Aber bis heute beklagen die Gewerkschaften, dass die Vereinbarungen nicht wirklich auf allen für Chiquita produzierenden Plantagen umgesetzt wurden. Diesem Abkommen war eine internationale Kampagne für die Beachtung der Arbeitsrechte vorangegangen, getragen von COLSIBA, EUROBAN und anderen solidarischen Organisationen, u.a. BanaFair.

Warum lehnen Unternehmen Tarifverträge und Gewerkschaften ab?

Tarifverträge sind Instrumente der Verteilung des nationalen Einkommens mit gesetzlich verankerten Rechten. Diese können nicht einseitig verändert werden. Bei der Einkommensverteilung möchten Unternehmen aber eine bestimmende Position einnehmen. Tarifverträge und unabhängige Gewerkschaften sind ihnen nicht angenehm als gleichberechtigte Verhandlungspartner. Das gesetzliche Streikrecht wird übertrieben als zu großes Risiko für die wirtschaftliche Stabilität der Betriebe dargestellt. In einigen Ländern oder Unternehmen gibt es seit vielen Jahren Tarifverhandlungen mit Gewerkschaften, die von beiden Seiten insgesamt positiv bewertet werden. Ohne Schutz der Arbeitsrechte kommt es trotz Wirtschaftswachstum zum Anstieg der Armut. Dazu kam es während der neoliberalen Strukturanpassungsprogramme von Weltbank und Währungsfonds gegen Ende des letzten Jahrhunderts, als Gewerkschaften und Tarifverträge als zu starre Strukturen aus überkommenen Zeiten galten und zurückgedrängt wurden.

 

Tarifverträge und Gewerkschaften sind wesentliche Instanzen des Sozialen Dialogs zwischen Unternehmen, Beschäftigten und Regierungen oder zwischen zweien von diesen, den die ILO wie folgt definiert: "The main goal of social dialogue itself is to promote consensus building and democratic involvement among the main stakeholders in the world of work." ("Das Hauptziel des Sozialen Dialogs selbst ist die Förderung der Konsensbildung und die demokratischen Einbeziehung der Hauptakteure in der Arbeitswelt.") Die Existenz von starken, unabhängigen Gewerkschaften und Unternehmerverbänden sowie die Achtung des Rechts auf Tarifverhandlungen werden von der ILO als Voraussetzungen für den Sozialen Dialog genannt. Die Gewerkschaften sind dazu bereit, viele Unternehmen offenbar noch nicht. Selbst wenn sie in Gespräche einwilligen, führen diese oft zu keinen Ergebnissen, weil sich die Unternehmen bei Forderungen oder Kritiken die abschließende Entscheidung alleine vorbehalten wollen.